Förderung der Projektarbeit durch die Deutsche Physikalische Gesellschaft, die Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung und die Dorfgemeinschaft Alswede e.V.
Physik ist mehr als die Untersuchung der Natur und ihrer Erscheinungen. Wie jede Wissenschaft besitzt auch die Physik eine Geschichte und ist Teil der Geschichte. Wenn man so will, interagiert die Physik mit ihrer Zeit.
Als Otto Hahn und Fritz Straßmann kurz vor Weihnachten 1938, sprichwörtlich mitten in der NS-Zeit, die Kernspaltung entdecken, funktioniert die scientific community noch ausgezeichnet. Die Deutung der Berliner Ergebnisse ist Ende Januar 1939 bereits in den USA, noch bevor sie im Februar in der Fachzeitschrift „Nature“ erscheint.
Sieben Jahre später, im Dezember 1945, ist das Bild ein ganz anderes. Die Deutschen Wissenschaftler besitzen auch nach dem Abwurf der Atombomben Fachwissen, das es vor den Sowjets aber auch vor den Franzosen zu verstecken gilt.
Zurück in Deutschland dürfen sie nicht einmal den Kreis Lübbecke verlassen. Walther Gerlach vermerkt entsprechend am 22. Januar 1946 in seinem Terminkalender: „Ausweise nur für Kr[eis] Lübb[ecke] erhalten, also noch nicht Frei!“ (Deutsches Museum, München, Archiv (DMA), NL 080/ 232-05.) Der genannte Ausweis besagt genau dies: „He is residing at ALSWEDE, near LUBBEKE and is at liberty to move freely about the Kreis.“ (DMA, NL 080/ 396-10.)
Die Physik, die physikalische Forschung, ja die Physiker selbst sind zum Politikum ihrer Zeit, zur Geschichte unserer Zeit geworden.
Daher konnten wir die Deutsche Physikalische Gesellschaft gemeinsam mit der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung davon überzeugen, Fördermittel für das Projektes bereitzustellen. Gemeinsam fördern beide Institutionen über das Projekt: „Physik für Schülerinnen und Schüler“ (weitere Informationen hier und hier) unseren Projektkurs mit fast 4000 €. Diese Förderung hat die Umsetzung überhaupt erst möglich gemacht, wofür wir uns herzlich bedanken. Es steckt eben auch in der Physikgeschichte Physik.
Neben der Förderung aus der Richtung der Physik, wird unsere Projektarbeit auch aus geschichtlichen Gründen gefördert. So beteiligt sich der Verein Dorfgemeinschaft Alswede e.V. ebenfalls an der Finanzierung unserer Forschungen zur Dorfgeschichte. Unser Dank geht daher auch nach Alswede.
Archivarbeit in München
(Beitrag vom 24.09.2023)
Schülerinnen und Schüler finden Bilder von Alswede in Physikernachlass
Am 27. August war es so weit. Unser Kurs fuhr nach München. Ziel war der Nachlass des Physikers Walther Gerlach im Archiv des Deutschen Museums.
Gerlachs Nachlass hat es in sich. 3 Wochen lang hatten die Schülerinnen und Schüler die gut 1600 Seiten Findmittel des Archivs durchsucht und nach interessanten und womöglich relevanten Dokumenten gescannt.
Das Archiv beziffert den Nachlass auf über 300 Archivschachteln, gefüllt mit Notizbüchern, Manuskripten, Fotos und mehreren Zehntausend Briefen. Durch diese Vorarbeit konnte die Anzahl der relevanten Schachtelsignaturen auf unter 100 und die Anzahl der Dokumente auf einen kleine vierstellige Zahl reduziert werden. Diese waren bei unserer Ankunft im Archiv am Montagmorgen bereits ausgehoben und die Schachteln warteten stapelweise auf die Schülerinnen und Schüler.
Kennen Sie Walther Gerlach?
Die Deutsche Biographie bezeichnet ihn als einen der renommiertesten Experimentalphysiker des letzten Jahrhunderts. Gemeinsam mit dem späteren Nobelpreisträger Otto Stern wies er 1922 die Richtungsquantelung nach. Gerlach selbst wurde 30 mal für den Nobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn aber nie.
Wie die meisten durch die Operation Epsilon festgesetzten Physiker auch, war Gerlach Teil der deutschen Atomforschung in den 1930er Jahren und während der NS-Herrschaft. Er wurde gemeinsam mit den anderen erst nach Farm Hall und am 3. Januar 1946 nach Alswede gebracht. In unserer Region lag das Forschungsinteresse der Schülerinnen und Schüler.
Die Arbeit hat sich gelohnt
Anderthalb Tage, Montag und Dienstag, standen nun im Zeichen der Informationssuche. Tatsächlich wurden die Schülerinnen und Schüler fündig. Sie fanden Briefe und Karten über Gerlachs Zeit in Alswede, Terminkalendeer und Notizbücher, also viele Dokumente, die sie nun im Projektkurs sichten und aufarbeiten müssen. Ganz besonders freuten sie sich, als sie im Skizzenbuch Gerlachs, von dem sie bereits wussten, dass er Farm Hall gezeichnet hatte, auch Bilder von Alswede fanden.
Der Projektkurs bedankt sich ganz herzlich bei Frau Sdrinka für die Begleitung auf der Fahrt nach München und für die Unterstützung im Archiv. Vielen Dank auch an die Mitarbeiter des Archives des Deutschen Museums, ohne deren Arbeit und Hilfe die Schülerinnen und Schüler sicher nicht diese Erfolge erzielt hätten.
Nicht nur Arbeit
Zugegeben, viel Freizeit hatten wir auf dieser Exkursion nicht und München hat uns nicht gerade mit Prachtwetter empfangen, aber dennoch blieb Raum für Kursaktivitäten in kleineren und größeren Gruppen. Die mehrstündigen Zugfahrten boten Gelegenheit für Spielerunden und Münchens gute Küche wurde auch ausgiebig getestet. Als Kurs haben wir es uns natürlich nicht nehmen lassen, in einem gemütlichen kleinen Innenstadtkino am Montag gemeinsam den thematisch passenden Spielfilm „Oppenheimer“ zu sehen. Man kann ja nicht nur arbeiten.
Mit dem Zug in die Geschichte
(Beitrag vom 30.08.2023)
Am Dienstag, dem 22.08.2023, besuchten die Schülerinnen und Schüler des Q1-Projektkurses „Nach Farm Hall kam Alswede“ das Stadtarchiv Lübbecke, um Informationen über die Unterbringung der deutschen Atomforscher 1946 in Alswede zu suchen und hoffentlich auch zu finden. Begrüßt wurden sie von Archivleiterin Christel Droste und den Mitarbeiterinnen Frau Rohlfing und Frau Trucks. Diese nahmen sich 3 Stunden Zeit, um die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Suche zu unterstützen.
Neben Informationen über Aufgaben und Arbeitsweisen von Archiven und einer Einführung zum Arbeiten im Archiv hatten die Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit, einen Blick ins Magazin zu werfen, das der Öffentlichkeit in der Regel verschlossen bleibt.
Zur anschließenden Recherchearbeit gehörte neben einer kurzen Filmdokumentation über Lübbeckes Rolle nach dem Zweiten Weltkrieg auch das Durchsuchen von Akten, Fotobeständen und Fachliteratur. Tatsächlich wurden die Schülerinnen und Schüler erstmals fündig: Fotos der Familie Albersmeyer, der das beschlagnahmte Wohnhaus gehörte, Dokumente über Beschlagnahmungsvorgänge und Eindrücke der Physiker von Alswede gehörten ebenso zur Ausbeute wie Anhaltspunkte und Personennamen für weitere Recherchen. Für einige Kursmitglieder sollte es daher nicht der letzte Besuch in Lübbecke gewesen sein.
„Operation Epsilon oder die Angst der Alliierten vor einer deutschen Atombombe“ – Vortrag leitet Schülerprojekt ein
(Beitrag vom 02.08.2023)
Am 3. Januar 1946 landen zehn Atomwissenschaftler, darunter drei Nobelpreisträger, nach ihrer Internierung in England wieder auf deutschem Boden. Statt sie frei zu lassen, bringen die Briten sie im Haus Albersmeyer in Alswede unter. Da das Gymnasium Rahden nur 14 km von Alswede entfernt liegt, nimmt ein Projektkurs der Jgst. Q1 dies zum Anlass, diese Episode im Leben der zehn Wissenschaftler zu erforschen.
Den Auftakt zu diesem Projekt bildet der Vortrag „Operation Epsilon oder die Angst der Alliierten vor einer deutschen Atombombe“, für den wir Prof. i. R. Dr. Dieter Hoffmann vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte gewinnen konnten.
Der Vortrag ist öffentlich und findet am Dienstag, dem 08.08.2023 von 9:45 bis 11:45 Uhr in der Aula unseres Gymnasiums, Freiherr-vom-Stein-Str. 5, statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Für die Forschung der Schülerinnen und Schüler im kommenden Schuljahr suchen wir noch Zeitzeugen und Dokumente. Erinnern Sie sich noch an die Unterbringung der Physiker im Haus Albersmeyer oder deren plötzliche Präsenz in Alswede und Umgebung? Haben Ihnen ältere Familienmitglieder oder Freunde davon erzählt oder besitzen Sie sogar Fotos oder Briefe aus dieser Zeit?
Melden Sie sich bitte bei Stefan Fischer unter stefan.fischer@gymrahden.de. Jede Hilfe ist willkommen.